Dorniges Röschen Margit Begiebing

Ein Märchen das jeder kennt

Es war der Geschmack nach Pfefferminz der mich weckte. Hmmm, Pfefferminz. Ich öffnete die Augen nicht, sondern spürte dem Geschmack nach. Da – jetzt war er wieder ganz intensiv in meinem Mund. Ich spürte Lippen auf meinen Lippen. Was…?
Meine Augenlider hoben sich ganz von selbst und ich sah in ein milchig-helles Gesicht. Blaue Augen dicht vor meinen blauen Augen.
„Wer sind Sie? Was tun Sie hier?“ fragte ich.
„Ich küsse Sie“, sagte der Mund mit den Lippen, die soeben meine berührt hatten. Bei jedem Wort entströmte dem Mund ein Schwall Pfefferminze. Gerade erst erwacht fühlte ich mich wie betäubt von diesem Geruch.
Ich wollte sagen: „Scheren Sie sich zum Teufel“, doch dummerweise hörte ich mich sagen: „Welches Mundwasser benutzen Sie?“
„Wollen Sie mir nicht danken?“ fragte die junge männliche Gestalt auf meiner Bettkante. „Ich rette Sie! Ich liebe Sie! Ich werde Sie heiraten!“
„Dazu gehören immer noch zwei“, rief ich, sprang auf und lief ans Fenster. Hinaussehend bemerkte ich, dass ich mich im allerobersten Kämmerlein des Schlossturmes befand. Unten im Hof gab gerade der widerwärtige feiste Koch mit der schmutzigen Schürze dem Fritz eine schallende Ohrfeige. Der Fritz ist Küchenjunge und höchstens 8 Jahre alt. Der Fritz heulte auf. Und mein Vater, der daneben stand, hatte nichts Besseres zu tun, als überaus ausgiebig zu gähnen. Meine Mutter schüttelte derweil ihre Röcke auf, zupfte an ihrem Dekolletee und rückte ihre Krone zurecht.
Nichts, absolut nichts sagten meine Eltern dazu, dass sich der Koch an dem armen Fritz vergriffen hatte.
Ich drehte mich um. Er sah gar nicht mal schlecht aus, dieser junge Mann, wenn ich mir das mintgrüne Outfit mit den silbernen Tressen und Kordeln wegdachte. In die langen Haare könnte man Perlen einflechten. Eine Uniformjacke mit blitzenden Knöpfen und hohe Stiefel würden ihn männlicher wirken lassen. Vor meinem inneren Auge sah er bereits aus wie Jack Sparrow. „Nun?“ fragte ich.
„Ich bin Prinz Anacuro aus Anacondien. Mein Bruder Anacondus wird einmal als König Anacondus der XV. unseren Thron besteigen. Da ich nur der Zweitgeborene bin blieb mir nichts anderes übrig als in die Welt hinaus zu ziehen um eine Prinzessin zu heiraten die Einzelkind ist. Als ich auf meiner Reise davon hörte, dass hier ein wunderschönes Exemplar dieser Gattung hinter hohen Rosenhecken seit fast 100 Jahren schläft, beschloss ich, sie zu retten. Und hier bin ich.“
100 Jahre also hatte ich geschlafen. Ich überlegte, ob meine Verabredung mit dem schmucken Stallknecht nach so langer Zeit immer noch galt.
„Lass‘ uns hinuntergehen. Mein Vater ist müde. Ab jetzt werden wir beide regieren.“
Hinter uns regte sich in einem Sessel eine schwarz gekleidete Alte. Soweit ich mich erinnern konnte war das eine Tante oder so. Sie hielt ein seltsames Gerät in der Hand. Ich wollte ihr den Gegenstand wegnehmen um ihn mir anzuschauen, aber der Prinz trat dazwischen. „Finger weg“, sagte er, „das ist die Spindel an der du dich gestochen hast. Willst du noch einmal 100 Jahre schlafen?“ Das wollte ich natürlich nicht.
Wir liefen aus der Turmkammer, schlugen schnell die Tür hinter uns zu und drehten den schweren Schlüssel im Schloss. Die Alte mochte an die Tür hämmern so lange sie wollte, hier kam sie nicht mehr raus.
Im Schlosshof angekommen sagte ich meinem Vater, dass ab sofort Anacuro I. König wäre. Den Koch ließ ich von unseren Hunden aus dem Schloss jagen. Und dem feschen Stallburschen zwinkerte ich zu. Wer weiß, vielleicht ist es ganz gut noch ein Eisen im Feuer zu haben falls sich der Prinz als Langweiler herausstellen sollte.

Margit Begiebing

Wenn Sie mehr von der Autorin Margit Begiebing aus Langenzenn lesen wollen seien Ihnen die beiden folgenden Bücher empfohlen:
Das andere Kind Ein Hund erzählt aus seinem Leben
SiebenerZeit Unter sieben verschiedenen Überschriften jeweils sieben Geschichten

Margit Begiebing

 
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Glück im Unglück  Sandra Schmidt

Ich bin ganz früh schon abgehoben
und mit Freude losgeflogen.
Der Frühling hat mich angelacht
und auch sehr neugierig gemacht.
Jetzt war es endlich wieder da,
das neuerweckte Bienenjahr;
wo wir Bienen ganz geschwind
beim Sammeln und Bestäuben sind.
Was hat die Königin mir beigebracht?
Flieg vorsichtig, gib auf Dich Acht.
Vögeln, Fröschen und auch Spinnen,
kannst Du manchmal nicht entrinnen.
Viele Menschen, lass Dir sagen,
wollen Dich so nah nicht haben.
Manche Kinder haben Angst,
flieg auf Abstand – wenn Du kannst.
Hoch über Wälder und auch Wiesen,
konnte ich nun den Tag geniessen.
Ich sah Vögel und Insekten flitzen,
Menschen am Balkon rumsitzen.
Irgendwann hab ich pausiert
und dabei ist es dann passiert.
Die Schale Wasser, die dort stand
gefüllt – bestimmt von Menschenhand

Es lockte mich der Wasserschimmer,
ich merkte schnell – ich bin kein Schwimmer.
Es ging so schnell, was dann geschah,
die Schale wurde zur Gefahr.
Fürs Wasser war ich viel zu schwer,
ich sank zu Boden – immer mehr.
Die Kräfte drohten, bald zu schwinden
hier würde mich wohl niemand finden.
Irgendwann sah ich ein Geäst,
mit letzter Kraft hielt ich mich fest.
Der Mensch, der mich gefunden hat,
zog mich raus – das war echt knapp.
Er legte mich gleich in die Sonne,
damit ich Wärme abbekomme.
Ich konnte nicht mal flüchten, klar,
so nass und kraftlos, wie ich war.
Als die Sonne unterging,
die Wärme somit rasch verging,
hab ich den Bienenstock vermisst
weils da so kuschlig warm drin ist.
Das hat wohl auch mein Mensch gedacht,
und mir ein warmes Bett gemacht.
Er sagte: -„Du schläfst heut im Haus,
und morgen siehts ganz anders aus.“

Welch ein Glück, am nächsten Morgen,
waren sie kleiner, meine Sorgen.
Denn ich war immer noch am Leben,
konnte sogar die Flügel heben.
Doch fehlte mir noch Energie,
ein Mädchen hatte die Idee;
„Ich misch Dir einen Zaubersaft,
er wird Dir helfen, gibt Dir Kraft.“
Zuckerwasser gab sie mir;
das war mein Lebenselexir.
Von nun an ging es Stück für Stück,
in meine Bienenwelt zurück.
Ich durfte raus, aus dem Karton,
und auf den sonnigen Balkon.
Nach einer kurzen Fotopause,
hob ich ab – und flog nach Hause.

Geschrieben von Sandra Schmidt
 
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